Kein Name

Lesetipp: „Wie sich Unternehmenssprache im Social Web ändern muss“

Twitter, Blogs, Communitys, also die Social Media, über die Unternehmen in einen Dialog mit ihren Kunden treten können, erfordern eine neue Unternehmenssprache – so Tilo Timmermann in einem interessanten Beitrag im Upload-Magazin. Der Auftritt von Unternehmen in diesen Medien basiert auf Text und Sprache, diese tragen somit wesentlich zum Image der Organisationen bei. Imageprägend wirkt Sprache natürlich auch außerhalb von Online-Netzwerken; als neue Tendenz nennt Timmermann ein wachsendes Selbstbewusstsein der im Social Web Angesprochenen, die sich kritisch mit dem Auftritt des Sprechers auseinandersetzen. Wie er feststellt, fehlt jedoch vielerorts in den Unternehmen noch das Bewusstsein über eine social-media-gerechte Sprache: „Guter Text hat keine Lobby.“ Seiner Forderung nach einer neuen Diskussion über Sprache in Zeiten von Web 2.0 schließen wir uns an – hier sind professionelle Textarbeiter gefragt!

Lesetipp: „Flache Lektüre für digitale Gehirne“

Über den Wandel des Lesens im digitalen Zeitalter schreibt Joachim Güntner in der NZZ. Sein Ausgangspunkt ist die Studie „Buchkäufer und Leser“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die 2008 zum zweiten Mal erschienen ist (Zusammenfassung hier). Ausgerechnet im Milieu der konsumfreudigen „Hedonisten“ konstatiert die Langzeituntersuchung eine zunehmende Leseunlust – für den Buchhandel sind sie eine nahezu unerreichbare Zielgruppe. Bücher und Bildung sind längst keine Statussymbole einer Elite mehr, sie haben an Distinktionswert verloren. Güntner schiebt den Schwarzen Peter in Sachen Leseunlust jedoch nicht der Digitalisierung zu, da gerade das Internet zum Lesen zwinge – allerdings zu einem veränderten Lesen:
Das Netz, mag es auch mit der Orthographie auf Kriegsfuss stehen, ist kein Medium des Analphabetismus. Aber es verändert die Art, wie gelesen wird. Über einen Bildschirm mit Text wandert das Auge anders als über eine Buchseite. Je länger der Text, so will der Leseforscher Jakob Nielson herausgefunden haben, desto mehr beginnt der Blick zu springen. Zeilen werden nicht zu Ende gelesen, man sucht Schlüsselbegriffe, Kernaussagen, Merksätze und atomisiert gleichsam den Gesamtzusammenhang. Vertiefung, Einfühlung, Interpretation? Dafür, so meint auch die Bildungsforscherin Maryanne Wolf, die die Verflechtungen von Sprache, Lesen und Gehirnentwicklung untersucht, reiche die digitale Lektüre nicht.

Tankstellenorthografie: Et-Zeichen & Co.

 

Nein, wir meckern hier nicht etwa über fehlende Bindestriche und Leerschritte oder überflüssige Punkte nach frei stehenden Zeilen … Wir nehmen dieses hübsche Öl-Schokocroissant-Latte-Tankstellen-Ensemble zum Anlass, uns über die Verwendung des Et-Zeichens auszulassen – also den hübschen Schnörkel, der hier gleich dreimal auftaucht. Woher es stammt und wann es angebracht ist, erklärt der Duden so:

Das Zeichen & ist eine verschnörkelte Schreibung des lateinischen Wortes et, die schon in mittelalterlichen Handschriften belegt ist. Es bedeutet und, darf aber nur bei Firmenbezeichnungen angewendet werden: Voß & Co., Mayer & Neumann. © Duden. Richtiges und gutes Deutsch, 6. Auflage, Mannheim 2007

Das Et-Zeichen ist also ausschließlich Firmennamen vorbehalten – in der Werbesprache wird es dennoch auch in anderen Zusammenhängen gerne und sehr häufig eingesetzt. Ist halt ein hübscher Schnörkel und soll wohl irgendwie professioneller wirken als das langweilige, gewöhnliche „und“ …

„Hartzen“ ist Jugendwort des Jahres 2009

Der Langenscheidt Verlag hat zum zweiten Mal in Kooperation mit der Jugendzeitschrift SPIESSER und der Online-Community MySpace das Jugendwort des Jahres wählen lassen: Der Sieger heißt „hartzen“, was für „arbeitslos sein“ und „rumhängen“ steht. Bei der Wahl haben 45.000 Interessierte auf der Internetseite www.jugendwort.de Vorschläge eingereicht und abgestimmt. Aus den 15 bestplatzierten Wörtern wählte eine Jury dann die Top 5 aus: 1. hartzen 2. bam („cool“ oder „endgeil“) 3. Bankster (Bankangestellter, der in der Finanzkrise spekulative Geschäfte macht) 4. Rudelgucken („Public-Viewing“) 5. Pisaopfer (Schulabgänger mit fehlender Allgemeinbildung) Und so begründet die Jury ihre Entscheidung:
Der Begriff „hartzen“ setzt sich mit einem politischen und gesellschaftlichen Sachverhalt auseinander, der inzwischen auch in der Lebenswelt der Jugendlichen angekommen ist. Hier zeigt sich, wie sehr sich Jugendliche mit dem Thema Arbeitslosigkeit konfrontiert sehen beziehungsweise auseinandersetzen. Die sprachliche Kreation des Verbs „hartzen“ aus „Hartz IV“ impliziert durch die negative Grundbesetzung des ursprünglichen Ausdrucks per se Kritik.

„Fröhliche Weihnachten“ in 65 Sprachen

Weihnachten rückt näher und damit auch das alljährliche Weihnachtspostkartenschreiben. Wer Freunde oder Geschäftspartner außerhalb des deutschen Sprachraums Grüße schicken möchte und nicht weiß, was „Fröhliche Weihnachten“ zum Beispiel auf Finnisch heißt, wird in einer Datenbank vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer fündig. Dort sind Weihnachtsgrüße in 65 Sprachen bereitgestellt – ausländische Schriftsätze können sogar als Grafikdatei heruntergeladen werden. Dann wünschen wir schon einmal etwas verfrüht „Hyvää joulua“! (Via textwende.blog)

Rechtschreib-Duden fehlt der Rückenwind der Rechtscheibreform

Die 25. Auflage des Rechtschreib-Duden verkauft sich weniger gut als erwartet, wie B.I.-Vorstandssprecher Ulrich Granseyer in einem Interview mit dem Börsenblatt eingesteht. 30 Prozent unter Plan liegen die Verkaufszahlen der im Sommer 2009 erschienenen Neuauflage. Es fehle der „Rückenwind durch die Rechtschreibreformdiskussion“, begründet Granseyer das Verfehlen des Umsatzziels. Auf die Frage, worin der Mehrwert für den Kunden gegenüber der 24. Auflage liege, weist er auf das Paket mit dem „Duden Korrektor kompakt“ hin. Welchen Mehrwert die neue Auflage zu bieten hat, die ich mir aus beruflicher Notwendigkeit gleich nach dem Erscheinen zugelegt habe, frage ich mich ehrlich gesagt auch. Der Wortschatz ist nur geringfügig aktualisiert. Und auf das Paket mit der Korrektursoftware, die nur auf Windows läuft, habe ich als Mac-Nutzerin verzichtet. In der 25. Auflage vermisse ich zudem „Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung“, die in der Vorgängerausgabe noch enthalten ist, weshalb diese immer noch griffbereit in meiner Handbibliothek steht. Daher bin ich sehr gespannt auf die Investitionen im Bereich Sprachtechnologie, die Granseyer in dem Interview ankündigt.

Druckbuch gegen Digitalisat. Eine Podiumsdiskussion im Literaturhaus Berlin

Das Erscheinen von Detlef Bluhms „Von Autoren, Büchern und Piraten“ war Anlass für eine Podiumsdiskussion im Literaturhaus Berlin. Über die Zukunft des Buches im Zeitalter der Digitalisierung diskutierten der Autor selbst, die Autorin Felicitas Hoppe, der Kulturwissenschaftler Thomas Macho (HU Berlin) und Marlies Hebler (textunes). Dabei waren sich die Diskutierenden einig: Die derzeitige Medienrevolution wird das gute, alte Papierbuch nicht gänzlich verschwinden lassen, sondern eröffnet Lesern und Autoren neue Möglichkeiten. Felicitas Hoppe sieht keinen trennenden Graben zwischen Gutenberg-Universum und digitaler Welt, sondern vielmehr zwischen Verlagen und Autoren. Von ihrem Verlag fühlt sie sich im Stich gelassen, was Informationen über die aktuellen Entwicklungen und Diskussionen wie die über den Heidelberger Appell angeht. (Mehr zu Hoppes Kritik an den Verlagen auf bewegliche lettern.) Auch Thomas Macho befürchtet keine Verdrängung des herkömmlichen Buches durch das „Digitalisat“, da ältere und neue Medien durchaus koexistieren können, statt in einem ausschließenden Konkurrenzverhältnis zueinander zu stehen. Als Beispiel nannte Macho das handschriftliche Verfassen von Texten, das vor der Erfindung des Buchdrucks wenigen Gelehrten vorbehalten war, danach jedoch zunehmend Verbreitung in allen Bevölkerungsschichten fand und bis heute in Form von (privaten) Notizbüchern und Ähnlichem überlebt hat. Detlef Bluhm malt ebenfalls nicht den Untergang der Buchkultur an die Wand. Zwar werde einiges, was wir im Zusammenhang mit der Gutenberg'schen Buchkultur zu schätzen wissen, verschwinden, doch eröffneten die neuen Techniken auch neue Möglichkeiten. Hierin bestätigte er Marlies Hebler, für die die Digitalisierung eine Erweiterung des bisherigen Buches darstellt, indem beispielsweise Videos oder Podcasts in digitale Texte eingebunden werden können. Zu den von Hebler konstatierten neuen, fragmentarisierten Formen des Lesens sieht Bluhm Gegentendenzen, die sich im Erscheinen „dicker Wälzer“ (etwa von Dan Brown oder Frank Schätzing) äußerten und das herkömmliche Bücherlesen wiederum stärkten. Schade, dass kein Vertreter eines Verlages mit auf dem Podium saß – dies hätte die Diskussion vielleicht etwas aufheizen können. Sind es doch die Verlage, die sich mit der Medienrevolution mitunter schwertun, da ihnen beispielsweise durch kostenlosen Content im Internet die Pfründe verloren zu gehen drohen.

Lesetipp: „Was die Zeitungsverlage von Google lernen können“

Welt online gibt einen Vortrag von Jeff Jarvis (amerikanischer Journalist und Autor des Buches „Was würde Google tun?“) wieder, den dieser von New York aus bei den Münchener Medientagen hielt. Jarvis plädiert für eine „Ökonomie der Links“ anstelle der für das Gutenberg-Zeitalter charakteristischen „Ökonomie der Inhalte“:
Die Ökonomie der Links bringt Verlegern drei Imperative mit: Es fordert sie auf, ihre Inhalte öffentlich zu machen, wenn sie gefunden werden wollen. Sie haben die Wahl, aber wenn sie sich hinter ihre Bezahl-Mauern zurückziehen, versteckt für Suche und Links, werden sie nicht entdeckt. Zweitens fordert die Ökonomie der Links Spezialisierung. Mache das, was du tust richtig und verlinke zum Rest. Das bringt neue Effizienz und kann Verlage profitabler machen. Das dritte in der Link-Ökonomie ist der Empfänger der Links, der ihren Wert ausnutzen muss. Das ist noch der Job der Verlage.
Jarvis' Ausführungen beziehen sich auf das Verhältnis Zeitungsverlage/Internet, sind aber ebenso auf Buchverlage übertragbar. Hier geht's zum vollständigen Vortrag. Update: Darüber, was Welt online in der Übersetzung aus Jarvis' Originaltext gemacht hat, berichtet Ulrike Langer – interessant sind auch die Kommentare hierzu.

Rechtschreibtipp: Zeichensetzung in Aufzählungen

Probleme bereitet häufig die Zeichensetzung in tabellenartigen Aufzählungen. Setzt man am Ende der Zeilen Punkte, Kommata oder Semikolons? Zeilenweise abgesetzte Aufzählungen erfordern keine Satzzeichen. Das gilt für Aufzählungen wie diese:

– Batterietechnologien
– Elektrische Antriebe
– Softwaregestütztes Energiemanagement

Ebenso gilt es für Aufzählungen vollständiger Sätze:

Über die Zukunft sind nur zwei Dinge bekannt:
– Die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen
– Die Zukunft wird anders sein als alles, was wir heute kennen

Man kann jedoch nach den einzelnen Zeilen ein Semikolon setzen, was meistens getan wird, wenn die aufgezählten Glieder länger oder Nebensätze sind. Hinter der letzten Zeile steht in diesem Fall ein Punkt:

Wenn Sie Ihr Absatzpotential voll ausschöpfen möchten, sollten Sie darauf achten:
– eine saubere, vertikale Blockbildung nach Warengruppen und innerhalb der Warengruppen nach Marken einzuhalten;
– eine Platzierung von Produkten – wie Neuheiten oder Saisonsorten – außerhalb der Kategorien, zu denen sie gehören, zu vermeiden;
– verkaufsschwache Artikel auf den oberen Böden zu platzieren.

20 Jahre Sprachmauerfall

Bekanntlich trennte Ost- und Westdeutschland nicht nur viele Jahre lang ein antifaschistischer Schutzwall, sondern auch eine sprachliche Mauer. Wie viel ist davon noch übrig bzw. wie gut verstehen sich Ost- und Westdeutsche 20 Jahre nach dem 9. November 1989? Viele DDR-Begriffe sind definitiv verschwunden, zum Beispiel die „raufutterverzehrende Großvieheinheit“ (Kuh), die „geflügelte Jahresendzeitfigur“ (Engel) oder das „Winkelement“ (Fähnchen). Wie gebräuchlich diese Ausdrücke im DDR-Alltag tatsächlich waren oder ob sie eher in den Bereich der Legenden gehören, vermag ich als Westdeutsche allerdings schwer zu beurteilen. Begriffe wie „urst“ oder „Kaufhalle“, die ich in meiner Anfangszeit in Ostberlin vor 15 Jahren noch häufiger hörte, scheinen mittlerweile durch die westdeutschen Pendants „total“ oder „voll“ bzw. „Supermarkt“ fast vollkommen verdrängt worden zu sein. Immerhin können sich im gastronomischen Bereich einige DDR-Ausdrücke behaupten: Zwar hatte die ostdeutsche „Grilletta“ keine Chance gegen den West-Hamburger, doch halten sich der „Broiler“ (Brathähnchen) und die „Ketwurst“ (Hotdog) zumindest in Ostberlin noch tapfer auf den Speisekarten mancher Imbisse. Auch die „Sättigungsbeilage“, ursprünglich in der DDR eine „Sammelbezeichnung für die in Gaststätten zu Fleischgerichten gereichten Kartoffeln, Reis, Nudeln, wenn bei Druck der Speisekarte nicht absehbar war, was zur Verfügung stehen würde“ (Birgit Wolf, Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch, 2000, Artikel Sättigungsbeilage), hat in der Gastronomie überlebt. Ebenso finden sich in der Immobilienbranche noch einige DDR-Relikte, die mittlerweile auch überall in Westdeutschland verständlich sein dürften: die „Datsche“ und die „Zweiraumwohnung“. Tatsächlich gesamtdeutsch geworden sind Redewendungen wie das stilistisch etwas bedenkliche „Fakt ist“ (das aber auch ein Anglizismus sein könnte) oder die Uhrzeitangabe „viertel drei“ (Viertel nach zwei – ist mir allerdings auch aus Süddeutschland bekannt). Von den westdeutschen Siegern sollen an dieser Stelle nur das „Tempo“ (im Osten „Zellstofftaschentuch“) oder „surfen“ (statt „brettsegeln“) genannt sein. Hier haben im Sprachwettkampf Ost–West vielleicht einfach nur die weniger umständlichen Ausdrücke das Rennen gemacht. Wie würde das auch klingen – „im Internet brettsegeln“? (Eine Liste mit verschwundenen DDR-Ausdrücken gibt's übrigens hier. Auch im Lexikon der bedrohten Wörter finden sich vom Aussterben bedrohte Ostwörter.)

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