future!publish 2018. Was gibt’s Neues in der Welt des Publizierens?

future!publish 2018. Was gibt’s Neues in der Welt des Publizierens?

foto futurepublish

 

Am 25./26. Januar 2018 fand in Berlin zum dritten Mal die future!publish statt. Claudia Lüdtke hat den Kongress besucht und berichtet hier von ihren Eindrücken.

 

In zahlreichen Workshops und Vorträgen beschäftigten sich Verlagsmenschen, Verlagsdienstleister und -beraterinnen, Marketingfachleute, Netzaktivisten, Juristen, IT-Expertinnen und Coaches mit der Zukunft des Publizierens. Welche neuen Geschäftsmodelle gibt es? Wie lassen sich Leser finden und binden? Wie können Marketingstrategien für digitale Produkte aussehen? Diese und ähnliche Fragen treiben die Branche derzeit um und nach Antworten wird mit besonderer Dringlichkeit gesucht, nachdem Börsenverein und GfK Anfang des Jahres besorgniserregende Zahlen veröffentlicht haben: Von 2012 bis 2017 hat der Buchhandel 6 Millionen Buchkäufer verloren. Dass nicht weniger gelesen wird als früher, belegte Ashleigh Gardner mit ihrer Keynote, in der sie die Social-Reading-Plattform Wattpad vorstellte. Weltweit gehören der Wattpad-Community 65 Millionen Menschen an, in Deutschland gibt es bereits 1,2 Millionen Wattpad-Nutzer, deren monatliche Lesezeit mehr als eine Milliarde Minuten umfasst. Es wird also nicht weniger gelesen, allerdings bekommt das gute alte Printbuch immer mehr digitale Konkurrenz.

 

Verlage entdecken den Autor und die Leserin

Welche Ideen und Strategien entwickeln die Verlage, um dem gegenwärtig stattfindenden Strukturwandel zu begegnen? Unter anderem entdecken sie auf ihrer Suche nach Lösungen zwei Wesen, denen sie offenkundig bislang nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt haben: den Autor und die Leserin. „Weg vom Handelsparadigma, hin zum Autor und Leser!“, lautete der Appell von Ehrhardt F. Heinold. In seinem Vortrag „,Autorendienstleister‘ – Der Verlag als Serviceprovider für Autoren“ wies er auf die wichtige Rolle des Autors als Verbindungsglied zu den Zielgruppen der Verlage hin. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssten Verlage attraktiver für AutorInnen werden: zum Beispiel durch Serviceangebote wie Trainings und Schulungen, außerdem durch flexible Vergütungsmodelle.

 

Auch an den Endkunden, sprich: den Leserinnen und Lesern, zeigen sich die Verlage neuerdings sehr interessiert. So wird nach neuen Marketingstrategien gesucht, die nicht mehr überwiegend den Buchhandel im Visier haben, sondern die Endkundschaft. Wie Verlage sich hierfür Messengerdienste und Chatbots zunutze machen können, war gleich in mehreren Vorträgen Thema. Gleichzeitig wollen die Verlage die Leserinnen und Leser besser kennenlernen, um ihre Produkte zielgerichteter auf deren Bedürfnisse und Interessen zuschneiden zu können. Big Data lautet das Zauberwort in diesem Zusammenhang, also das Sammeln von Daten. Die Digitalisierung ermöglicht es beispielsweise, das Leseverhalten bei der Lektüre von E-Books genau zu verfolgen und auszuwerten. Erfreulicherweise gab es auch eine vom Öko-Institut veranstaltete Diskussionsrunde mit Markus Beckedahl (netzpolitik.org) und Philipp Otto (iRights.Lab), die das Datensammeln und die hierbei herrschende Intransparenz kritisch unter die Lupe nahmen.

 

Lektorat – quo vadis?

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die klassischen Verlagstätigkeiten, vor allem auf das Lektorat? Diese Frage interessierte mich als Lektorin natürlich ganz besonders. Werden Lektorinnen und Lektoren evtl. in Zukunft überflüssig, etwa weil intelligente Software ihre Arbeit übernehmen kann? Interessanterweise lautete die zuerst genannte Antwort auf Ehrhardt F. Heinold ans Publikum gerichtete Frage nach dem Service, den Verlage ihren AutorInnen bieten können: Lektorat. Auch in Verbindung mit neuen Marketingstrategien ist Unterstützung aus dem Lektorat gefragt, etwa indem LektorInnen Inhalte für das Contentmarketing aufbereiten, zum Beispiel Dialogbestandteile für Chatbots.

 

Bekanntermaßen haben viele Verlage den Kernbereich Lektorat heutzutage ausgelagert und arbeiten mit freien Lektorinnen und Lektoren zusammen. Dass sie sich hierbei auf hochkompetente DienstleisterInnen verlassen können, die nicht nur Textprofis sind, sondern häufig auch über großes technisches Know-how verfügen, bewiesen Susanne Franz und Sylvia Jakuscheit in ihrem Workshop „,Der Text hat’s in sich‘ – Semantik bei der Content-Strukturierung“. In dieser Session ging es um das semantikorientierte Auszeichnen von Textinhalten. Klingt erst mal technisch und trocken, tatsächlich handelt es sich beim Auszeichnen aber um eine Tätigkeit, die eng mit den Textinhalten und deren Verständnis verknüpft und daher üblicherweise im Lektorat angesiedelt ist. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann im Lektorenblog des VFLL meinen Workshop-Bericht sowie ein Kurzinterview mit den beiden Referentinnen lesen.

 

Welche Rolle wird das Lektorat in der Publikationswelt der Zukunft spielen? Beim Blick in die Glaskugel lässt sich auch nach dem Besuch der future!publish kein ganz klares Bild erkennen, aber es zeichnen sich Tendenzen ab: Auf der einen Seite werden auf Plattformen wie Wattpad immer mehr Texte veröffentlicht und gelesen, die größtenteils nicht durch ein professionelles Lektorat gegangen sein dürften. Besonders erfolgreiche Texte haben allerdings bei Wattpad die Chance, von einem Verlag publiziert zu werden, und kommen dadurch auch in den Genuss eines Lektorats – als Siegerprämie sozusagen. Auf der anderen Seite versuchen Verlage, sich durch besondere Qualität und Dienstleistungen zu profilieren, unter anderem durch Serviceangebote wie das Lektorat. Wird das Lektorat vielleicht zum Mehrwertbeschaffer im Premiumsegment? Eines ist in jedem Fall klar: Mit ihrer Kompetenz für Texte, Sprache und Inhalte werden LektorInnen allen, die Texte publizieren, auch in Zukunft viel zu bieten haben. Um mit den Entwicklungen Schritt halten zu können, ist es an ihnen, sich technisches Know-how anzueignen und die eigenen kommunikativen Fähigkeiten zu stärken.

 

Die nächste future!publish findet übrigens am 25./26. Januar 2019 statt.

 

Foto: Literaturtest/Sabine Felber